Kinder-Reha

Kinder-Reha Tag 20 – Klebekräfte

Es ist kurz vor der Abendruhe. Wir sind vom oberen Spielplatz runter zu unserem Wohnhaus gelaufen. Die Kinder stürmen auf die Klettergerüste bevor sie in zehn Minuten auch hier alles dicht machen. Nach ein paar Minuten höre ich meinen 5-Jährigen bitterlich weinen. Ich suche ihn vergeblich an, auf und neben den Kletteranlagen. Schließlich finde ich ihn im Treppenhaus auf den ersten Stufen. Er heult Rotz und Wasser. Für einen kurzen Moment denke ich an gebrochenes Bein, scanne mit meinen Augen in Blitzgeschwindigkeit nach offenen, blutenden Wunden, finde aber nichts. Ich frage etwas besorgt nach, was passiert sei. “Ich habe meine Klebekräfte verloren!” schluchzt das kleine unschuldige Elend vor mir.

Eine ernste Angelegenheit

Die Mütterschar, die sich inzwischen aufgrund des ohrenbetäubenden Lärms um mich geschart hat, schaut erst verdutzt mein Kind an und dann mich. “Er hat seine Klebekräfte verloren.” erwidere ich die fragenden Blicke. “Ja, die sind weeeheeeg!” Aber wie können die denn einfach weg sein, frage ich ihn, da sie ja definitiv noch vor dem Abendessen da waren, als er partout nicht von dem Dach des Kletterhauses mehr herunterkommen wollte. Da klebte ja alles noch super! “Mein Freund hat sie mir gestohlen.” Giftige Blicke schießen wie ein Blitz gen besten Reha-Kumpel. Der weiß von nichts. Wagt aber die These, dass die Klebekräfte eventuell gerade nicht wirken, da das Dach des Kletterhauses durch den Regen nass und rutschig sei.

Flutsch, weg!

Mit Logik ist es in solch dramatischen Situationen leider nicht immer ganz so einfach. Mein Superhelden-Sohn heult noch einmal ohrenbetäubend auf. “Nein! Die sind in den Boden gefallen und sind nun weeeheeeg!” Ja, das macht Sinn. In den Boden gefallen und flutsch weg. Ich erkläre ihm, dass meine Superkräfte immer über Nacht aufgeladen werden, wenn ich zwölf Stunden am Stück schlafe. Aber auch nur, wenn ich ganz ruhig bin, nicht ständig nach Trinken frage und auch nicht immer zu Papa rüber rolle oder gar auf die irre Idee komme, in ein anderes Bett, wie sagen wir mal, das von meinem Sohn zu hopsen. “Quatsch Mama. Du hast echt keine Ahnung von Klebekräften!” Man kann es ja mal versuchen.

Das Wundermittel

“Aber wie bekommt man die Klebekräfte denn nun zurück?” frage ich meinen Superkräfte-Fachmann. Ein Geistesblitz. “Ich weiß!” kommt es plötzlich wie aus der Kanone geschossen und schon wieder leicht optimistisch klingend von meinem Sohn. “Snacks. Aber nur ganz bestimmte Snacks. Die muss man essen und dann sind die Klebekräfte wieder da.” Dieser kleine Schlaumeier. Na klar, Snacks. Seine Antwort auf alles. Snacks gegen Bauchschmerzen, Snacks gegen lahme Beine, Snacks gegen Aufräumunlust. Snacks sind die ultimative Lösung in seinem Superhelden-Kosmos. Aber auch hier gibt es Regeln. “Meine Klebekräfte werden wieder aufgeladen, wenn ich Chips, die salzigen, nicht zuckrigen, Duplos, aber nur mit weißer Schokolade, dunkle ist eklig, und die Regenbogen Gummibärchen mit den Einhörnern bekomme. In meiner pinken Snackschüssel!” Die Muttis glotzen wieder. Ich lächle. Erst in Richtung Muttis, dann in Richtung Sohnemann. Ne, der ist auch manchmal Brezeln und so. Wirklich. Also so ab und zu halt. Na komm, ihr wisst schon. Kinder, schlechte Laune, Bestechung, funzt!

Wir tapern langsam nach oben auf unser Zimmer, werfen einen Blick in unser Snackfach und füllen die pinke Schüssel mit dem Klebekräfte-Superfutter. “Mama? Die Klebekräfte sind wieder da.” lächelt mich der kleine Superheld an. “Na dann kann es ja morgen wieder aufs Kletterdach gehen.”


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