Kinder-Reha

Kinder Reha Tag 9,5 und 10 – Der, der auf dem Fenstersims stand und nicht mehr herunterkam

Freudentränen am Morgen, Frustrationstränen am Abend. Während die erste Hälfte des neunten Tages in der Kinder-Rehaklinik in Thalheim mit tollen Fortschritten gespickt war, riss mich der Abend schonungslos und mit voller Wucht wieder aus meinem kurzen Freudentaumel heraus. Meine Kinder waren müde. Es war erneut ein langer Tag mit vielen erlebnisreichen Therapien und Gruppenangeboten. So viel, dass abends einfach beide drüber waren. So drüber, dass die eine nur noch im Kinderwagen den Snail Trail of Doom heraufgewuchtet werden wollte und der andere eine Kletterpartie an den Fenstersimsen der Mensa in Angriff nahm.

Tarzan auf dem Fenstersims

“Da darfst du aber nicht klettern! Komm mal runter.” zu meinem Sohnemann gepaart mit “Sagen sie ihm das mal.” zu mir. Ich antworte der Rehaklinik-Mitarbeiterin, die zufällig auf ihrem Weg in den wohlverdienten Feierabend ist und die Kletteraktion meines Sohnes live mitbekommt, mit einem “Habe ich bereits.”. “Dann müssen sie ihm das jeden Tag sagen.” Ich schaue sie an und könnte einfach nur heulen. Sie hat keine Ahnung, warum er dort oben den Tarzan spielt, geschweige denn wie es dazu kam und wie dieser Tag und überhaupt die ganze letzte Woche für uns alle war. “Ich sage es ihm seit einer Woche. Jeden Tag!” bekomme ich so gerade eben noch heraus.

Kein Gurkenbrötchen

Ich schnappe mir den Kinderwagen mit unserer übermüdeten 4-Jährigen, kralle mir den Arm unseres Tarzans und geleite ihn sanft aber energisch vor der glotzenden Mensa-Mutti-Gang über den Snail Trail of Doom runter zu unserem Zimmer. Unser Sohn wehrt sich mit Händen und Füßen. Erst als er die erste kleine Träne über meine Wange laufen sieht, hält er kurz inne. “Warum bist du traurig Mama?” höre ich ihn ruhig und leise sagen. Ich überlege kurz, knie mich vor ihm hin und antworte mit sanftem Ton: “Weil mir gerade alles zu viel geworden ist.” Er schaut mich an und scheint zu verstehen. “Gibt es heute also kein Gurkenbrötchen?” Ich lache ein wenig und muss mir ein größeres Kichern verkneifen. “Nein, heute gibt’s Kühlschrank- und Snackfachplünderung!”. “Fruit Loops, Fruchtzwerge, Chips und Salami für Lucy? Und für dich weiße Schokolade?” Ich grinse erneut und nicke. Mit seinem eigens erfundenen Jubelgesang geht’s zum Kühlschrankfach und dann rauf auf unser Zimmer.

Es ist 17:30 Uhr. Zur Feier des Tages öffne ich die wie ein Schatz gehütete Hafermilch. Heute gibt’s Fruit Loops MIT Hafermilch. Yeah!

Neuer Tag, neue Mütter

Nächster Tag, Mensa Mittagessen. Während beide Kinder bis Mittags in ihren Kitagruppen sind, genieße ich die Ruhe vorm Sturm beim Plausch in der Mensa. Eine Mutter am Tisch fragt leicht schüchtern, ob wir den Streit zwischen ihr und ihrem Sohn gestern mitbekommen hätten. Es wäre leider etwas lauter geworden und es täte ihr leid wegen der eventuellen Ruhestörung. “Ich dachte eigentlich, dass wir die lautesten hier sind.” erwidere ich. “Ihr? Nein, lauter als wir könnt ihr gar nicht sein.” Sie erzählt von ihrem autistischen Sohn, ich von unserem Klettermaxe. Wir lachen. Wir kichern. Wir verstehen einander. Wir fühlen uns nicht allein. Ich fühle mich besser und starte optimistisch in das zweite Reha-Wochenende ☼


Ältere Beiträge zur Kinder-Reha in Thalheim


One Comment

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *